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Paula Müller

Cést la Dynamique

Austellungsdauer: 06.05. - 30.06.2005

C’est la dynamique! – Das ist Dynamik, Energie, Kraft.

Betritt man den Raum im vorderen Fensterbereich, so sieht man sich zunächst einem farb- und formgetreuen Abbild eines gewaltigen Bergmassivs gegenüber, fast einer kitschigen Fototapete gleich, eingebettet in das friedliche Idyll einer Berglandschaft – über all dem thront das Matterhorn.
Der zarten Struktur der Buntstifte traut man ein solches Massiv kaum zu. Und doch – direkt auf die Wand aufgetragen – gräbt sie sich hinein. Gegenüberliegend – ganz und gar abweichend, stark kontrastierend in Form- und Farbstil sowie Material – ist es hier ein sattes Filzstiftrot, das krauchende Schnecken produziert. Überdimensional groß erarbeiten sie sich langsam, aber stetig den Anstieg eines weiteren Bergs? Eines Vulkans? Ähnlich wie auf der Einladungskarte gezeigt? Oder eines merkwürdig absurd erscheinenden Wesens, das als eine Art zweiohriger Gipfel hervorlugt?

Denkt man an die beiden Gebirgsentstehungsformen – einerseits symbolisiert als Matterhorn, andererseits als vulkanartiges Wesen – so werden mehrere Kontraste deutlich: Gletscher, Kälte, Statik versus Erdfeuer, Magma, Lava, Bewegung. Und tektonische Kräfte, die Erdplatten verschoben, versus explosive Erdinnenenergie, die sich den Weg nach Draußen über Ausbrüche bahnt. Das Motiv Berg an sich steht demzufolge für Erdenergie pur – bei aller Ruhe, bei allem Idyll, welches das (vermeintlich) kitschige Fototapetenmotiv Matterhorn hinter den kleinen Berghütten zu vermittelt. Es ist ein diffiziles Spannungsverhältnis, das sich offenbart. Übrigens: Auch die absichtlich am Boden gelassenen Farbreste greifen das Thema Dynamik auf, denn sie zeugen von dem zeichnerischen Entstehungsprozess.
Folgt man den sich in das Bergmassiv fast hineinschleichenden Gruppen kleinerer Bilder durch den schmalen Durchgang hindurch in den angrenzenden Foyerteil, so zeigt sich einerseits eine Fortführung, andererseits scheinen die gezeigten Arbeiten keinen inhaltlichen Zusammenhang mit den vorn gezeigten zu besitzen. Auch hier: C’est la dynamique!

Auch hier: ähnlich bunt, lebendig sprühende Farbwahl, teils nicht zu definierende Formen; Bunt- und Farbstifte, selten Wasserfarbe fließen in sichtbar freier Spontaneität und mehr von Intuition hervorgebracht als von langwierigen Gedankenprozessen, wählen mal Bilder, mal Worte, bald Sätze, fügen sich ineinander, bilden Traumvisionen, traumähnliche Konfusionen, erstellen und fixieren in der Konfusion neue Sinnzusammenhänge, die sich gleichermaßen wieder auflösen könnten. Welches Medium welches motiviert, ist nicht erkennbar:
Die Sprache die Bilder? Oder die Bilder die Sprache?

 Bei den Ausstellungsstücken und deren Kombinationsvielfalt geht es um eine beständige Auflösung und Neubildung von vielleicht vermeintlichen Gegensatzpaaren wie Chaos und Ordnung, Bewegung und Stagnation, Irrationalität und Rationalität. So wie sich eine Ordnung, eine Bedeutung ausmacht, indem die Bilder gruppiert oder einzelne Satzfetzen und Äußerungen zugeordnet sind, ist zugleich ersichtlich, dass diese Zuordnungen genauso gut anders hängen bzw. sein könnten. Sie inspirieren und befruchten sich fortlaufend gegenseitig und immer wieder neu. Das Ineinanderübergehen und -fließen dieser bunten, geballten Vielfalt verdeutlicht sich beispielsweise ebenfalls im direkten Kontakt zwischen Wand und Materialstruktur. Und auch dort, wo sich ein Sinnkontext vermeintlich fixiert, verbirgt sich ebenfalls zugleich immer eine gewaltige Dynamik – wie beispielsweise im vorderen Abbild des Matterhorns.

Diese mögliche Sichtweise auf die Arbeiten, die den stetigen Fluss der Medien, Zeichen und Strukturen zum Ausdruck bringen, lässt sich mit den Worten Paula Müllers fixieren: C’est la dynamique!

Hille Schwarze






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