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Maren Berk

"gute jagd und schnelles töten"

Austellungsdauer: 6.6. -6.7.2003



Kaimane – scheinbar schläfrig und träge, wie tot so starr – vermögen dennoch in Sekundenschnelle zuzuschnappen und ihre Opfer, kleinere wie größere Wesen, mit ihrem großen, mit Zähnen bewaffneten Maul in ihren tiefen, weiten Rachen zu bringen und zu verschlingen.

Eine Skulptur eines solchen Tieres, in Lebensgröße dargestellt, befand sich neben einer gefüllten Getränkekiste im vorderen Fensterbereich, der durch eine goldfarbene Kette mehr optisch als real vom Rest des Foyers abgetrennt war.

Kaimane sind Krokodile Südamerikas und somit in einem fernen Kontinent verortet. Scheinbar wenig haben sie mit dem Münsteraner Besucher einer Ausstellung zu tun. Inwiefern aber ging diese Tierskulptur in ihrer durch Form- und Farbgebung wunderbar herausgearbeiteten Widerlichkeit dem Betrachter doch durch Mark und Bein? Und in welchem Verhältnis stand sie zu einem in Gold getönten Getränkekasten?

Um Gefahr und Bedrohung bei gleichzeitiger Verlockung ging es – Empfindungen, denen – mögli-cherweise – jeder stets und allerorts ausgesetzt ist, die jeden zu einer Wachsamkeit seiner Umwelt gegenüber auffordert.

Die in mattem Anthrazit gehaltenen, kraftvoll in ihrer starren Angespanntheit charakterisierten Tier-skulptur erzeugte eine Spannung, der sich zunächst der arglose Passant auf der Straße ausgesetzt sah, denn der verschlagene Blick des Kaimans richtete sich nach außen. Vor Wachsamkeit golden blitzenden Augen ausgeliefert, sah er sich der geballten wie mühsam unterdrückten Aggressivität des Tieres gegenübergestellt. Die sorgfältig herausmodellierten spitzen Zähne im geschlossenen Maul wirkten zugleich wie eine Naht, die mit äußerster Spannung die in der Naht verschwindenden Ober- und Unterkiefer zusammenhielt – geradezu so als ob sie im Stande sei, zu reißen.

Der Besucher im Raum hingegen wiegte sich ob der abgewandten Haltung des Tieres in vermeintlicher Sicherheit. Doch mindert die abtrennende Kette im Dekorstil die Bedrohung? Die Kette speigelte Sicherheit vor und verharmloste die Bedrohlichkeit, denn der himmlisch-blendende Goldton verschleierte gleichsam den ihr immanenten Warnhinweis, sich auf Distanz zu halten. – Eine fast ironische Komponente, die aber gerade die Eigenschaft der Kaimane erfasste, in aller Seelenruhe so lange zu lauern, bis sich ihr unvorsichtiges Opfer zu nahe herangewagt hat. Der Kaiman geht in seiner Tarnfarbe unter, verschleiert, verharmlost sich selbst. Und macht sich genau diese Eigenschaft zunutze.

Die trennende und zugleich durchlässige Komponente der Kette wie auch der Fensterscheibe ließ die Konstellation eine einnehmende, Fenster und Raum durchdringende Präsenz ausstrahlen, die es schwer machte, sich ihrer spannungsgeladenden Wirkung zu entziehen.

Das Zusammenspiel zwischen dem Kaiman und der Getränkekiste faszinierte durch die Korrespon-denz der Farben, die für sich sprach: Die dunkle und undurchschaubare Farbgebung des Kaimans spiegelte sich in dem Getränk, Gold wiederholte sich in den Augen des Tiers, in der Kiste, in der Kette.

Glitzerndes Gold als Farbsymbol des Reichtums, der Macht, des Überflusses, seit jeher ein Faszino-sum für die Menschheit, verlieh dem Getränk eine verlockende Wirkung, ließ eine bevorstehende Konsumierung verführerisch erscheinen. Mit der Anspielung auf eine bei näherer Betrachtung erkennbaren Marke eines auch in den letzten Ecken dieser Welt bekannten Getränks erweiterte sich der thematische Radius und rückte das Phänomen des Konsums, des Massenkonsums in das Zwielicht von Bedrohung und Reiz.

Angesichts des beliebten, das klar in der Farbgebung mit dem Reptil korrespondierte, muss der Mensch nicht außergewöhnlich risikofreudig sein, um sich in einer bedrohlichen Situation wiederzufinden. Reicht das alltägliche Leben, um im Strom der angeglichenen Massen Gefahr zu laufen, seine Individualität aufzugeben?

Wo besteht noch die Möglichkeit, sich frei und gefahrlos zu bewegen? Die Gesamtkonstellation der Arbeit sagte: Nirgends.

In diesem Kontext nahm sich der Titel der Ausstellung „gute jagd und schnelles töten“ ironisch-distanziert, beinahe süffisant angesichts dieser allerorts vorhandenen Bedrohung aus – und provo-zierte Wachsamkeit.

Brachte die Tiersymbolik das alltäglich-reizvolle Spiel mit dem Feuer zum Ausdruck, das sonst mehr oder weniger erfolgreich der Verdrängung unterliegt und im Unbewussten verbleibt? Die Konstellation der gezeigten Objekte band den Betrachter gerade durch die nebensächlich erscheinende Absperrung auf eine spannungsgeladene Weise mit ein – und rüttelte an Ängsten, die seit jeher von den verschiedensten Gefahrenquellen hervorgerufen wurden und werden.

Hille Schwarze





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